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Starke Teams kultivieren Rollen, nicht Funktionen

Freitag, 07 September 2018

Immer wieder höre ich in Team-Workshops die Aussage „Wir müssen unsere Funktionen genauer abgrenzen und die Schnittstellen definieren, um besser zusammen zu arbeiten.“ Diese Forderungen nach klar definierten Zuständigkeitsgrenzen kann aber fatal sein. Der Fokus auf der „Schnitt-Stelle“ kann Menschen trennen, die eigentlich zusammen arbeiten sollten. Bekanntlich führt Synergie in Teams zur Formel „1+1=3“.

Erfolgreiche Team denken in Rollen 

Erfolgreiche Team vergessen Schnittstellen und schauen auf die optimale Abstimmung der Stärken der Team Mitglieder. Dies geschieht am einfachsten über Rollen anstelle von Funktionen. Rollen schaffen Verbindungspunkte statt Schnittstellen. In einem hierarchischen Führungsverständnis ist die Forderung nach klar geregelten und auch schriftlich dokumentierten Zuständigkeiten nachvollziehbar. Damit können Verantwortlichkeiten zum Beispiel bei Qualitätsproblemen klar lokalisiert und durch Führungsmassnahmen verbessert werden. Wer Leistung erbringt, wird dafür belohnt, schlechte Leistungen werden vom Vorgesetzten korrigiert. Dieses Führungsverständnis birgt die Gefahr der Fokussierung des Negativen. Sind Zusammenarbeit, Innovation, Flexibilität und Teamsynergie gefragt, stösst das Denken in Schnittstellen an Grenzen. Es ist psychologisch nachvollziehbar, dass Menschen bei klar definierten Zuständigkeiten tendenziell nur noch das erledigen, wofür sie verantwortlich sind. Denn dafür gibt’s vom Chef Lohn oder Tadel. Der Abstimmungsprozess der Zuständigkeiten trägt zudem nichts zum vom Kunden spürbaren Ergebnis bei und birgt enormes Konfliktpotential.

Team als tragfähige Mauer

Gerne benutze ich in meiner Arbeit mit Teams als Analogie das Bild einer Mauer: Möchte ein Team eine stabile Mauer gemeinsam errichten und unterhalten, sind nicht Ecken und Kanten der einzelnen Backsteine wichtig, sondern wie die einzelnen Backsteine aufeinander gesetzt werden und ob der Mörtel zwischen den Mauerelementen diese stark verbindet. Backsteine mit Höhe, Breite und Tiefe repräsentieren die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung für jede spezifische Stelle, dokumentiert und schriftlich festgehalten in Stellenbeschreibungen, Funktionsbeschreibungen und Organisationshandbüchern. Entscheidend für eine stabile Mauer sind „weiche“ Faktoren, also wie die Menschen in dieser Unternehmung sich als Menschen mit einer gemeinsamen Zielsetzung verbunden fühlen, sich kennen mit ihren Präferenzen und Stärken und wie sie kommunizieren.

Rollen und Digitalisierung

Aktuell diskutieren Führungskräfte in vielen Unternehmungen, wie ihre Firmen im Zuge der Nutzung digitaler Möglichkeiten innovativer, flexibler und dynamischer werden können. Das klassische, eher autoritäre Führungsverständnis verliert an Bedeutung. Führungsstil pendelt von autoritäre in Richtung demokratische Führung mit mehr Entscheidungskompetenzen bei den Mitarbeitenden. Im Extremfall finden wir holokratisch geführte Teams, die ihren Chef, so es den noch geben soll, basisdemokratisch selber wählen.

In der Buchhaltung oder im Bereich der Datensicherheit braucht es klare Vorgaben und Strukturen, zweifelsohne. Um aber innovativ zu sein, kundenorientiert, und um mit neuen Produkten schneller auf den Markt zu kommen, sind formale Strukturen nicht zieldienlich. Bei solchen Themen ist das Denken in Rollen angezeigt. In unzähligen Workshops mit Führungsteams darf ich immer wieder erleben, wie der Fokus auf Rollen in einem Team die Zusammenarbeit radikal verbessern kann. Die Grundidee dabei ist, dass Teammitglieder gemeinsam festlegen können, welche Rollen Ihnen für die Erreichung Ihrer Teamziele am wichtigsten erscheinen. Das kann beispielsweise ein Inspirator sein, ein Teufelsadvokat oder ein Strukturierer. Sind Rollen einmal gemeinsam festgelegt, können „Champions“ sicherstellen, dass die jeweilige Rolle im Team von möglichst allen gelebt wird – mindestens vom Champion.

 Von Funktionen zu Rollen

Der Hauptunterschied zwischen Funktionen und Rollen ist, dass Rollen flexibler von verschiedenen Teammitgliedern getragen werden können. Jeder kann eine Rolle übernehmen, so lange das passt. Ich kann in einer Sitzung die Rolle des Teufelsadvokaten spielen, und beim nächsten Austausch für Struktur sorgen – wichtig ist, dass man gemeinsam einmal festgelegte Rollen im Auge behält. Jedes Teammitglied kann so seine Stärken auf Rollen fokussiert und flexibel dann einbringen, wenn sie gefragt sind. Weg von Schnittstellen, hin zu Rollen im Team. Das ist nach meiner Erfahrung erfolgsversprechender und zieldienlicher als das meist mühsame Definieren von Zuständigkeiten.

Auch mit dem gesunden Menschenverstand scheint mir offensichtlich, dass Interesse und Freiwilligkeit beim Übernehmen einer Aufgabe bessere Motivatoren sind als Vorgaben und Reglemente. Gehen Sie an ein Vereinsfest, und schauen Sie auf das Engagement der Freiwilligen hinter der Bar, im Service oder wo immer sie sich für ihren Verein einsetzen. Jede(r) tut was gerade ansteht und übernimmt auf natürliche Weise eine Rolle in diesem System. Praktisch ohne Feinabstimmung. Diese wohlwollende und auf Stärken und Interessen basierte Motivation verpufft in überorganisierten Strukturen vieler Firmen.

So kommen Sie ins Rollendenken

Wenn Sie beim nächsten Mal im Team hören „Wer ist für dieses Thema zuständig?“, fragen Sie: Was wäre, wenn wir nicht über Verantwortlichkeiten sprechen, sondern über die Frage „Wer hat Lust (und Fähigkeit) zum Erledigen dieser Aufgabe?“ Welchen Unterschied würde das für Sie und Ihr Team machen? Stellen Sie insbesondere Titel in Frage. „XYZ-Manager“ klingt zwar nett, bringt aber meist mehr Aufwand und Konflikte, als wenn dieses Führungstalent als eine Art temporärer Champion oder „Primus inter pares“ für die allen sinnvoll erscheinende Zeit die Führung übernimmt, ganz natürlich.

Dieser Blogbeitrag wurde am 31. August für die Stärkenschmiede publiziert.

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