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Was soll bitte wohin entwickelt werden?

Freitag, 05 Juli 2013

„Ich möchte nicht, dass mein Chef-Chef sich so weit in meine Entwicklung einmischt!“ Diese Aussage ist mir in einem Führungs-Workshop begegnet. An ihr manifestiert sich ein latenter Zielkonflikt der Personalentwicklung: Mitarbeitende und High Potentials, Personalentwicklende und Vorgesetzte haben oft unterschiedliche Ziele mit „Talent Management“.

Talente entwickeln ist die Kernaufgabe der Personalentwicklung. So weit so gut. In Führungs-Entwicklungsprogrammen an die Oberfläche tretende Zielkonflikte spiegeln oft unterschiedliche Haltungen.

Beispiel 1: Ein Mentoringprogramm hat zum Ziel, die High Potentials zu fördern, ihr Potential zu entwickeln. Die Personalentwickler möchten den Nachwuchsführungskräften helfen, ihre eigenen Talente und Fähigkeiten zu entdecken und gezielter einzusetzen. Damit sollen die Talente in der Firma bleiben und intern da eingesetzt werden können, wo sie am meisten gebraucht werden. Linienverantwortliche, die Zeit und Geld in solche Programme stecken, möchten ihre eigenen Schäflein behalten und sehen für sie konkrete Führungspositionen vor. Der Zielkonflikt manifestiert sich beispielsweise an der Frage, ob die Mentoringziele dem Vorgesetzten bekannt sein sollen oder eben gerade nicht.

Beispiel 2: In einer Teamentwicklung soll nach Auffassung des vorgesetzten Key Account Managers ein Ruck durch das Verkaufsteams gehen und eine neue Einstellung begründet werden, die dem Spitzenprodukt gerecht wird und den Umsatz ankurbelt. Der Personalentwicklende wünscht sich mehr Erfahrungsaustausch und weniger „Ellbogenverhalten“ zwischen den Verkäufern. Im Kick-Off wird klar, dass die Verkäufer kaum an ihr Produkt glauben, und dass ihre Anreizstruktur für mehr Einzelgängertum spricht, nicht für intensivere Zusammenarbeit. Es kommt zum Eklat, das Team zerbricht.

Personalentwicklung ist ein Minenfeld. Für Personalentwicklende ist darum eine klare Haltung überlebenswichtig. Nur mit ihr kann der Talent-Prozess transparent und wirklich erfolgreich gestaltet werden. Schon Mc Gregor hat mit seiner Gegenüberstellung der Theorie X und Y aufgezeigt, dass die Haltung der Vorgesetzten deren Führungsstil, dieser das Verhalten und dieses wiederum die Leistung der Mitarbeitenden beeinflusst. Das Ergebnis bestätigt paradoxerweise die Haltung. Genauso verhält es sich mit der Haltung der Personalentwicklenden. Sie beeinflusst massgeblich Erfolg und Misserfolg von Personalentwicklungsmassnahmen.

Die möglicherweise hilfreiche Kernfrage, die bei PE-Massnahmen offen zwischen der Linie und HR diskutiert werden sollte, lautet: Was soll wie und vor allem wohin entwickelt werden?
  • Was soll entwickelt werden? Eine mögliche Haltung ist eine indirektive, ressourcenorientierte. Im Bild der Sonnenblume geht es einzig darum, das vorhandene Potential in der Form des Erbguts des Samens zu identifizieren und gezielt zu fördern. Entwickelt werden sollen die Talente bzw. Ressourcen des Personals. Mit einer direktiven Haltung gibt man demgegenüber bestimmte Kompetenzen vor und vertraut darauf, dass der fachlich hochqualifizierte Mitarbeitende nach erfolgtem Kompetenzen-Training auch als Führungskraft brillieren wird. Das kommt bekanntlich oft anders als man denkt. Man kann nicht etwas entwickeln, das gar nicht im Kern angelegt ist. Noch nie konnte aus einem Sonnenblumenkern eine Tanne wachsen!
  • Wie soll entwickelt werden? Bei der Pflanze braucht es neben nährstoffreichem Boden auch Licht, Luft und Wasser, gegebenenfalls Stützen bei garstigen Rahmenbedingungen. Übertragen auf Menschen geht es um das Schaffen von Bewusstsein über die eigenen Stärken und das eigene Potential, sowie um das gezielte Fördern desselben mit möglichst effektivem Aufwand und das konkrete, verbindliche Anwenden im Berufsalltag. Darum boomen die Themen Coaching und positive Psychologie.
  • Wohin soll entwickelt werden? In einer direktiven Haltung bestimmen die Auftraggebenden die Stossrichtung der Personalentwicklungsmassnahme. Daraus resultieren in der Praxis beispielsweise Mentoringprogramme, in denen Linienvorgesetzte sich gegenseitig High Potentials abwerben. Bis die Projekte mit viel Flurschaden gestoppt werden. Oder es entstehen Coachingbeziehungen, die in ihrem Grundansatz so kaum Chancen auf Erfolg haben. In einer direktiven Haltung kennt nur die Mitarbeitende ihre Bestimmung. Dorthin strebt sie mit ihrer ganzen Kraft. Wenn deren Zielzustand auf der Linie der Linie ist, umso besser.
Denken Sie, egal ob Sie Personalentwicklende, CEO oder Mitarbeitende sind, also laut und stehen Sie für die Haltung ein, die Ihnen entspricht. Fragen Sie sich:
  • Was ist mein Menschenbild?
  • Welches Personalentwicklungsverständnis ergibt sich daraus?
  • Wann konkret bietet sich mir die nächste Gelegenheit, mich nicht nur für das „Wie“, sondern auch für das „was“ und das „wohin“ einzusetzen?
Dieser Beitrag wurde auch im Portal "HR und Leadership" publiziert.


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