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Personalentwicklende im Hamsterrad

Montag, 10 Juni 2013

„Wir als HR haben bei diesen Entscheidungen kaum Einfluss”, erklärt mir ein Personalentwickler am Telefon. Er möchte damit zum Ausdruck bringen, weshalb ein mit meiner Unterstützung durchgeführtes Projekt nur langsam vorwärts kommt. Personalentwicklernde (re-)agieren in einem komplexen Umfeld. Wie können sie ihrer Kernaufgabe “Personal entwickeln” im heutigen Marktkontext gerecht werden?

Als externer Dienstleister fällt mir auf, dass viele Personalentwicklende kaum erreichbar sind. Einmal am Telefon berichten sie von zeitlicher Überlastung, mangelnder Wertschätzung und stockenden Projekten: “Das Management entscheidet bei wichtigen Themen kurzfristig und situativ. Viele Personalverantwortliche rennen (jedoch) im Hamsterrad. Die meisten richten den eigenen Fokus auf die Vorgaben des Managements. Dieses sieht die Aufgabe der Personalentwicklung darin, den Mitarbeitenden etwas beizubringen, damit sie neuen Herausforderungen gewachsen sind. Personalentwicklung soll liefern, nicht hinterfragen. Es werden Assessments durchgeführt, es wird geplant, geschult und kontrolliert. Viele Personalentwicklende stecken so tief im „Delivery“, dass keine Zeit für Fundiertes bleibt. Das X-te intern moderierte Führungsseminar, Zielvereinbarungs-Formularen nachrennen, Reisen für kritische Personalgespräche in einer Auslandfiliale… wo bleibt da Zeit für strategische Personalentwicklung?

Drei Dinge bleiben dabei auf der Strecke:
  1. Das Personal: Paradoxerweise bleiben die Hauptkunden der Personalentwicklenden, nämlich Mitarbeitende und engagierte Führungskräfte, auf der Strecke. Wer nie innehalten kann, verliert den Durchblick und kann den Faden kaum entwirren.
  2. Die Entwicklung: Ent-Wicklung findet ohne Zeit für Reflexion nicht statt. Und Stillstand ist im sich schnell verändernden Umfeld Rückschritt. Wenn die Welt dreht und der Knoten stehen bleibt, wickelt sich das Seil um den Knoten zu einem noch dickeren Gewühl.
  3. Die Führungskultur: Die Haltung des Managements gegenüber Personalentwicklung prägt die Führungskultur. Ohne Mitgestaltungsmöglichkeit bei der Haltung des Managements verpufft auch die gewissenhafteste Personalentwicklungsarbeit im System. Wenn der CEO nicht hinter professioneller Personalentwicklungsarbeit steht, kann er sich den Aufwand für Personalentwicklungs-Massnahmen sparen.
    Mir sind börsenkotierte Firmen bekannt, in denen ein eigentliches Grounding der Personalentwicklung stattgefunden hat, weil dem Management der aktuelle Börsenkurs wichtiger zu sein scheint als nachhaltiges Wachstum auf allen Ebenen.
    Personalentwicklende verlassen solche Firmen oft bereits nach wenigen Monaten. Der nächste Kollege oder die nächste Kollegin begibt sich ins Hamsterrad.
Wo können Führung und Personalentwicklung ansetzen? Der Werkzeugkoffer ist umfangreich, doch den Anfang macht die eigene Haltung.

Führungskräfte im obersten Management können sich fragen:

  • Was ist meine Einstellung grundsätzlich zum Menschen in der Unternehmung?
  • Wie wichtig ist für mich die Entwicklung des Individuums in unserer Organisation?
  • Möchte ich einen Beitrag zur Entwicklung von mir, meinen Führungsteam-Peers und meinen Direktunterstellten leisten, und warum?
  • Welche Rolle soll die Personalentwicklung darin haben?
  • Was wäre, wenn wir gar keine Personalentwicklung hätten?
Personalentwickler können sich fragen:

  • Wie sehe ich als PersonalentwicklerIn meine Funktion?
  • Was ist meine Passion?
  • Wofür stehe ich ein?
  • Welche in der Unternehmung wichtigen Werte unterschreibe ich mit meinem Herzblut?
  • Wie verstehe ich meine Rolle als PersonalentwicklerIn?
  • Bin ich ein auch unbequemer Gestalter, oder passe ich mich oft an?
  • Wie viel Zeit nehme ich mir, um über meine Rolle und unsere Art und Weise, Personal zu entwickeln, nachzudenken?
  • Wird meine Funktion operativ und strategisch verstanden?
  • Was bedeutet dies für mich, wenn eines der beiden Elemente fehlt?
Mit etwas Abstand betrachtet kann Personalentwicklung auch heissen: Die Personalentwicklung fördert eine Kultur des Lernens On-The-Job statt im Seminarraum. Personalentwicklung fördert eine lösungsorientierte Haltung und richtet den Fokus auf Talente und Ressourcen, die bereits vorhanden sind. Personalentwicklung hält den Kollegen im Management den Spiegel hin und weist darauf hin, wo zu viel Führung Potential bremst. So fördert sie auf Unternehmensleitungsebene Mut, Authentizität und Erfolgsorientierung und leistet einen echten Mehrwert für die Unternehmung und damit auch für die Mitarbeitenden.

Nutzen Sie also Ihr Potential als Personalentwicklende. Wechseln Sie öfters die Perspektive. Hinterfragen Sie Routine und Angebote in Ausbildungskatalogen, die Jahr für Jahr gleich aussehen. Tun Sie mal weniger, und bewirken Sie mehr. Fordern Sie Ihr Management auf, einen aktiven Beitrag zur Personalentwicklung zu leisten. Was ist Ihr erster, konkreter Schritt?

Dieser Beitrag wurde auch auf www.hrundleadership.ch veröffentlicht.

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